Glas
Folie 3: Glas am Auto
Die Folie enthält Anwendungsbeispiele für die in ihrem Aufbau und Verhalten unterschiedlichen, aus dem Naturstoff Quarz erzeugten Werkstoffe, die wir unter dem Begriff Glas zusammenfassen.
Abbildungen oben links und Mitte links:
Quarzkristall, Foto und Molekülgitter:
Quarzkristalle sind reines Siliciumdioxid. Solche schönen großen Kristalle werden eher als Edelsteine verwendet und können je nach Begleitmineralien unterschiedlich gefärbt sein (Bergkristall, Amethyst, Tigerauge, Rosenquarz …). Die Struktur der Quarzkristalle lässt sich gut im Vergleich zum Diamant beschreiben, da auch hier ein tetraedrisches Gitter besteht. Jedes Siliciumatom ist mit vier Sauerstoffatomen verbunden, jedes Sauerstoffatom mit zwei Siliciumatomen. So entsteht das Atomverhältnis Si : O = 1 : 2 und damit die Formel SiO2 (siehe Kopiervorlage 8, Versuch 1: Woraus besteht Glas?). Die Darstellung des Molekülgitters zeigt nur eine Ebene, daher ist die 4. Bindung von Si nicht zu sehen.
Abbildungen oben rechts und Mitte: Quarzglas, Foto und Molekülgitter:
Quarzsand ist der wichtigste Ausgangsstoff für die Glasherstellung. Dazu wird der Quarzsand geschmolzen (Schmelzpunkt 1.713 °C) und wieder abgekühlt. Die Abkühlung erfolgt schneller, als es zur Neubildung der Kristallstruktur erforderlich wäre. So bilden sich zwar Kristallkeime, diese können sich aber nicht zu großen Kristallen ordnen, weil bei der Abkühlung die Beweglichkeit der Teilchen zu schnell abnimmt um die Neuordnung zu ermöglichen. Die Viskosität der Glasschmelze steigt mit der Abkühlung, weil sich die Atome netzartig verbinden (nicht kristallgitterartig!). Unterhalb der Glasübergangstemperatur erstarrt die Schmelze, man spricht auch von einer unterkühlten Flüssigkeit. Quarzglas hat also keinen definierten Schmelzpunkt, obwohl es ein Reinstoff ist, weil es nicht aus exakt definierten Stoffteilchen besteht. Das so gewonnene Quarzglas hat eine hohe chemische Beständigkeit und wird nur von Flusssäure angegriffen. Es hat eine hohe Temperaturwechselbeständigkeit und eine sehr geringe Wärmeausdehnung. Man kann Quarzglas rot glühend in kaltem Wasser abschrecken, ohne dass es zerspringt. Die Herstellung von Quarzglas ist wegen der hohen Schmelztemperatur allerdings teuer. Die Kolben der Halogenglühlampen werden aus dem teuren Quarzglas hergestellt, weil sie hohen Temperaturen standhalten müssen. Der kleine Glaskolben der Lampe ist mit einer Mischung aus Stickstoff, Argon, Krypton und Xenon gefüllt. Diese reaktionsträgen Gase reagieren auch mit dem 3.000 °C heißen Wolframdraht nicht. Diesem Gasgemenge werden kleine Mengen von Brom oder Jod zugegeben. Die Halogene verbinden sich mit den in der heißen Gasphase vorhandenen Wolframatomen und dem in Spuren vorhandenen Sauerstoff zu Wolframoxohalogenid. Damit kommt der so genannte Halogenkreisprozess in Gang:
W + O2 + Br2 → WO2Br2 (Wolframoxobromid)
Das gasige Wolframoxohalogenid kann sich an der heißen Quarzglaswand (ab >250 °C) nicht absetzen, es kommt somit nicht zur Schwärzung des Kolbens. Sobald das Wolframoxohalogenid mit der über 3.000 °C heißen Glühwendel in Berührung kommt, bildet sich wieder elementares Wolfram. Das Halogen und der Sauerstoff können so erneut Wolframatome aus der Gasphase abfangen. Im Unterricht wird man diesen Reaktionsmechanismus sicher allenfalls mit Chemiekursen behandeln können, allen Schülerinnen und Schülern kann man aber ohne Weiteres zeigen, wie heiß die Halogenlämpchen eines Tageslichtprojektors werden, in denen man den gleichen Wolframdraht erkennt.
Abbildung Mitte rechts: Molekülgitter:
Im Alltag haben wir es meistens mit Normalglas, auch Kalk-Natronglas genannt, zu tun. Hier wird der Schmelzpunkt des Quarzes (etwa 75 %) durch Zugabe von Natriumcarbonat (Soda, ca. 13 %) und Calciumcarbonat (Kalk, etwa 12 %) auf ungefähr 1.500 °C erniedrigt. Unter Freisetzung von Kohlenstoffdioxid entstehen Natrium- und Calciumsilikat (siehe Kopiervorlage 8, Versuch 2a: Wie verhält sich Glas beim Erwärmen?).
CaCO3 + SiO2 → CaSiO3 + CO2
Die Natrium- und Calciumionen lagern sich als Netzwerkwandler oder Netzwerkstörer in das Quarzglasgefüge ein und verändern dessen Eigenschaften. Man sieht, dass das noch ziemlich enge Netzgefüge des Quarzglases an verschiedenen Stellen aufgebrochen wird. Diese Moleküle werden durch geringere Energie beweglich, das Glas hat dadurch eine niedrigere Erweichungstemperatur, bei der es bearbeitet werden kann (siehe Kopiervorlage 9, Versuch 2b: Wie verhält sich Glas beim Erwärmen?).
Diese Zusätze machen das Glas allerdings auch chemisch unbeständiger, durch die Alkali- und Erdalkalioxide reagiert es sogar mit Wasser durch Hydrolyse. Allerdings zeigt sich dies im Versuch nur, wenn man die reaktive Glasoberfläche durch Zermahlen des Glases stark erhöht. Man kann im Versuch auch zeigen, dass minderwertige Gläser schneller hydrolysieren, als hochwertige. So kann man die Reaktion beschreiben:
Na2CaSiO4 + H2O → NaCaHSiO4 + Na+ + OH–
Die jeweilige Lauge lässt sich mit Phenolphthalein gut nachweisen (siehe Kopiervorlage 9, Versuch 3: Reagiert Glas mit Wasser?). Erfahrungsgemäß werden Gläser aber nicht ohne Weiteres zersetzt, das liegt daran, dass sich an der Glasoberfläche durch das Herauslösen der Alkaliionen eine hauchdünne, widerstandsfähige Kieselsäureschicht ausbildet, die vor weiterer Zersetzung schützt. Von alkalischen Lösungen wird Glas allerdings dauerhaft angegriffen. Wir beobachten, dass feine Trinkgläser durch die alkalischen Spülmaschinenreiniger mit der Zeit trüb werden.
Durch weitere Zusätze werden Spezialgläser hergestellt. Dreiwertige Metalle (Bor → Borosilikatglas, Aluminium) zum Beispiel können die Trennstellen im Molekülnetz wieder verbinden und so die Schmelztemperatur des Glases erhöhen (Duran-Gläser).
Anmerkung: Die Formel lässt sich nicht perfekt stöchiometrisch darstellen, da die chemische Beschreibung des Glases den Ausschnitt aus einem Gitter zeigt.
Abbildungen unten, links und rechts:
Autoscheiben müssen nach der Straßenverkehrsordnung aus Sicherheitsglas bestehen. Dies ist ebenfalls Kalk-Natronglas, das in bestimmter Weise bearbeitet wird. Auf den Abbildungen sieht man, wie zwei Autoscheiben eingeschlagen werden. Die beiden Scheiben verhalten sich bei etwa gleicher Krafteinwirkung unterschiedlich. Die linke Scheibe (Einscheiben-Sicherheitsglas, ESG) zerspringt in feine bröselige Splitter, die rechte (Verbundsicherheitsglas, VSG) zerspringt, ohne dass Splitter herabfallen. Aus dem Einscheiben-Sicherheitsglas werden heute nur noch Seitenscheiben hergestellt, während Windschutzscheiben aus Verbundglas bestehen.
Das Einscheiben-Sicherheitsglas wird zuerst wie jedes Flachglas nach dem Floatglasverfahren hergestellt. Das geschmolzene Glas wird kontinuierlich mit einer Temperatur von etwa 1.200 °C über flüssiges Zinn (Schmelzpunkt 232 °C) gegossen. Wegen der geringeren Dichte des Glases schwimmt es auf der Metalloberfläche und bewegt sich als fortlaufendes Glasband weiter. Da die Flüssigkeitsoberfläche des Zinns perfekt glatt ist, erhält das Glas an seiner Unterseite ebenfalls eine völlig glatte Oberfläche, wie man sie auf einer festen Unterlage kaum erzielen könnte. Auf dem Weg über das Zinnbad kühlt die Glasschmelze auf 600 °C ab und wird anschließend in Kühlöfen über einen Rollentransport auf Zimmertemperatur gebracht und schließlich zugeschnitten. Eine solche Floatglasanlage ist ohne Unterbrechung im Einsatz und erzeugt Flachglas von gleich bleibender Dicke. Um aus dem so hergestellten Flachglas nun Einscheiben-Sicherheitsglas, auch vorgespanntes Glas genannt, herzustellen, werden die Flachgläser wieder auf über 600 °C erhitzt und anschließend sehr schnell abgeschreckt. Dadurch entstehen Spannungen im Glas, die dieses bei einem Aufprall schlagartig in kleine Glaskrümel zerspringen lassen, an denen man sich nicht verletzen kann. Bei Frontscheiben hatte dies jedoch den Nachteil, dass auch die Sicht schlagartig trübe wurde.
Deshalb hat man das Verbundsicherheitsglas entwickelt. Dies besteht aus zwei exakt gleich geformten 2,1 mm dicken Scheiben, die von einer 0,8 mm dicken Kunststoffschicht aus PVB (Polyvinylbutyral) zusammengehalten werden. Die Scheibe hat also eine Dicke von 5 mm. Die feste und dabei dehnbare Kunststoffschicht verleiht dem Glas eine höhere Zähigkeit, außerdem macht die Bruchstruktur die Scheibe nicht blind. Die größeren Scherben bleiben an der Folie kleben und können nicht zu Verletzungen führen.